Wenn wir mit Unternehmern oder Führungskräften über Agilität sprechen, stoßen wir immer wieder auf die Aussage: „Agiles Arbeiten? Zu unserem Unternehmen / Geschäft/ Mitarbeitern passt das nicht!“
Tatsächlich lehnen viele ‚agil’ ab, ohne genau zu wissen, was sich dahinter verbirgt. Die Vorstellungen schwanken zwischen ‚alle machen, was sie wollen‘ und der Befürchtung, gleich den ganzen Laden umkrempeln zu müssen. Damit verbauen sich viele Unternehmer und Führungskräfte einen im Grunde einfachen wie wirkungsvollen Ansatz zur Entwicklung ihres Unternehmens und ihrer Mitarbeiter.
Doch was heißt Agiles Arbeiten oder Agile Führung überhaupt? Und wie kann ich es als Führungsverantwortlicher für mein Team oder Unternehmen nutzen? Das Ziel unserer Reihe zu Agilen Methoden besteht deshalb darin, Wege aufzuzeigen, Ihre Führungspraxis durch agile Methoden zu bereichern und damit den Rahmen der Möglichkeiten Stück für Stück zu erweitern.
Viele kennen agiles Arbeiten nur von Scrum und meinen deshalb, es eigne sich nur für die Softwareentwicklung. Was nicht stimmt. Scrum und andere agile Projektmanagement-Methoden entstanden vor allem als Gegenbewegung zum klassischen Projektmanagement, das von einer eher starren und detaillierten Planung bezüglich Zeit, Kosten und Ziel/Ergebnis geprägt ist. Eine solche Planung setzt allerdings voraus, dass der Auftraggeber – ob Chef oder Kunde – das Ergebnis bereits bis ins Detail kennt, und sich diese Anforderungen im Projektverlauf nicht ändern. Auch komplexe, im Grunde nicht vorhersehbare Aufträge werden nach der Wasserfall-Methode über längere Zeiträume komplett durchgeplant.
Die Misserfolgsquote dieser Projekte war erschütternd, die Schätzungen schwanken zwischen 60% und 90%. Mit Agilen Methoden wollte man sich von der starren, unflexiblen Wasserfall-Planung lösen, um schneller und angemessener auf neue Kundenwünsche oder Marktveränderungen reagieren zu können.
Jeder entscheidet, was er entscheiden kann
Dabei geht es mitnichten ohne Strukturen oder Regeln vonstatten – im Gegenteil. Es sind nur andere als die hierarchiegestützten Command-and-Controll-Strukturen, wie sie noch in vielen Unternehmen vorherrschen. Mit der agilen Führung wird die Entscheidungsbefugnis dorthin verlagert, wo die Entscheidung anfällt und in der Regel auch das Wissen und die Erfahrung dafür vorhanden ist, also bei dem Team oder Mitarbeitern. Damit wird ein angemessener Teil der Verantwortung den Mitarbeitern zurückgegeben und die Eigenverantwortung erhöht. Das spart schlicht Zeit, die Entscheidung ist fundierter und das Unternehmen flexibler, weil nicht jede Entscheidung durch sämtliche Hierarchiestufen hoch und wieder runter getragen wird. Gleichzeitig erhöht sich das Wissen, die Proaktivität und daraus folgend die Motivation und Verantwortungsbereitschaft der Mitarbeiter. Welche Führungskraft kann dazu schon nein sagen?
Mittlerweile ist agiles Arbeiten aber nicht mehr nur einigen Software-Nerds in hyperdynamischen Start-Ups vorbehalten. Unternehmen der verschiedensten Branchen und Größen haben sich agile Prinzipien zu eigen gemacht und erzielen damit große wirtschaftliche Erfolge.
Welches sind aber nun diese Prinzipien? Die Werte, die agile Projekte, Teams und Unternehmen ausmachen, sind:
- Commitment – Selbstverpflichtung
- Feedback – Rückmeldung
- Communication – Kommunikation
- Courage – Mut
- Respect – Respekt
- Simplicity – Einfachheit
- Openness – Offenheit
Gezielte Kommunikation nach klaren Regeln
Egal, ob Sie nun einige Aspekte agiler Methoden einführen oder gleich ein ganzes Framework: Es bedeutet immer eine intensive Auseinandersetzung mit den bisherigen Konzepten von Führung und Organisation. Und das heißt vor allem: Mit dem eigenen Führungsverständnis. Agiles Führen setzt die Bereitschaft zu Transparenz und zu einer offenen, konstruktiven Kommunikation auf Augenhöhe voraus. Das bedeutet ein hohes Maß an gegenseitigem Respekt und Vertrauen zwischen allen Mitarbeitern, einschließlich der Führung. Wer sich mit agiler Führung beschäftigt, muss deshalb im ersten Schritt seine eigene Haltung und eigenen Werte überprüfen. In einem Unternehmen mit schlechter Kommunikations- oder Fehlerkultur können agile Methoden nicht funktionieren. In agilen Teams legen Mitarbeiter offen, woran sie gerade arbeiten, wie weit sie gekommen sind und woran es gerade hakt. Herrscht kein vertrauensvoller und kooperativer Umgang, fühlt sich ein Mitarbeiter, der offensichtlich im Verzug mit seiner Aufgabe ist oder Schwierigkeiten mit der Umsetzung hat, schnell bloßgestellt. Fehler werden zur reinen Schwäche abgestempelt und die Offenlegung im Team zum Spießrutenlauf.
Isa Triesch ist Systemischer Coach und Beraterin. Sie hat Germanistik studiert und ist zertifizierter Berater für Management Drives.
Der Schwerpunkt ihrer Tätigkeit liegt im Coaching von Fach- und Führungskräften sowie Beratung im Rahmen von Veränderungsprojekten der Team- und Organisationsentwicklung.