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Agiler führen #1: Es muss nicht immer Scrum sein.

von | Aug 3, 2017 | Allgemein

Wenn wir mit Unternehmern oder Führungskräften über Agilität sprechen, stoßen wir immer wieder auf die Aussage: „Agiles Arbeiten? Zu unserem Unternehmen / Geschäft/ Mitarbeitern passt das nicht!“

Tatsächlich lehnen viele ‚agil’ ab, ohne genau zu wissen, was sich dahinter verbirgt. Die Vorstellungen schwanken zwischen ‚alle machen, was sie wollen‘ und der Befürchtung, gleich den ganzen Laden umkrempeln zu müssen. Damit verbauen sich viele Unternehmer und Führungskräfte einen im Grunde einfachen wie wirkungsvollen Ansatz zur Entwicklung ihres Unternehmens und ihrer Mitarbeiter.

Doch was heißt Agiles Arbeiten oder Agile Führung überhaupt? Und wie kann ich es als Führungsverantwortlicher für mein Team oder Unternehmen nutzen? Das Ziel unserer Reihe zu Agilen Methoden besteht deshalb darin, Wege aufzuzeigen, Ihre Führungspraxis durch agile Methoden zu bereichern und damit den Rahmen der Möglichkeiten Stück für Stück zu erweitern.

Warum agil?

Viele kennen agiles Arbeiten nur von Scrum und meinen deshalb, es eigne sich nur für die Softwareentwicklung. Was nicht stimmt. Scrum und andere agile Projektmanagement-Methoden entstanden vor allem als Gegenbewegung zum klassischen Projektmanagement, das von einer eher starren und detaillierten Planung bezüglich Zeit, Kosten und Ziel/Ergebnis geprägt ist. Eine solche Planung setzt allerdings voraus, dass der Auftraggeber – ob Chef oder Kunde – das Ergebnis bereits bis ins Detail kennt, und sich diese Anforderungen im Projektverlauf nicht ändern. Auch komplexe, im Grunde nicht vorhersehbare Aufträge werden nach der Wasserfall-Methode über längere Zeiträume komplett durchgeplant.

Die Misserfolgsquote dieser Projekte war erschütternd, die Schätzungen schwanken zwischen 60% und 90%. Mit Agilen Methoden wollte man sich von der starren, unflexiblen Wasserfall-Planung lösen, um schneller und angemessener auf neue Kundenwünsche oder Marktveränderungen reagieren zu können.

Jeder entscheidet, was er entscheiden kann

Dabei geht es mitnichten ohne Strukturen oder Regeln vonstatten – im Gegenteil. Es sind nur andere als die hierarchiegestützten Command-and-Controll-Strukturen, wie sie noch in vielen Unternehmen vorherrschen. Mit der agilen Führung wird die Entscheidungsbefugnis dorthin verlagert, wo die Entscheidung anfällt und in der Regel auch das Wissen und die Erfahrung dafür vorhanden ist, also bei dem Team oder Mitarbeitern. Damit wird ein angemessener Teil der Verantwortung den Mitarbeitern zurückgegeben und die Eigenverantwortung erhöht. Das spart schlicht Zeit, die Entscheidung ist fundierter und das Unternehmen flexibler, weil nicht jede Entscheidung durch sämtliche Hierarchiestufen hoch und wieder runter getragen wird. Gleichzeitig erhöht sich das Wissen, die Proaktivität und daraus folgend die Motivation und Verantwortungsbereitschaft der Mitarbeiter. Welche Führungskraft kann dazu schon nein sagen?

Ohne Werte geht es nicht.

Mittlerweile ist agiles Arbeiten aber nicht mehr nur einigen Software-Nerds in hyperdynamischen Start-Ups vorbehalten. Unternehmen der verschiedensten Branchen und Größen haben sich agile Prinzipien zu eigen gemacht und erzielen damit große wirtschaftliche Erfolge.

Welches sind aber nun diese Prinzipien? Die Werte, die agile Projekte, Teams und Unternehmen ausmachen, sind:

  1. Commitment – Selbstverpflichtung
  2. Feedback – Rückmeldung
  3. Communication – Kommunikation
  4. Courage – Mut
  5. Respect – Respekt
  6. Simplicity – Einfachheit
  7. Openness – Offenheit
Kommunikation ist mal wieder (fast) alles.
Sie fragen sich vielleicht, wie mit einer Handvoll Werte harte Projektfakten geschaffen werden sollen, und erfolgreiche noch dazu? Keine Sorge, die ‚harten Fakten‘ wurden nicht auf den Friedhof überkommener Management-Tugenden geworfen. Weder Planung noch Prozesse, Vertragsverhandlung oder Dokumentation werden als überflüssig erachtet. Lediglich die Gewichtung hat sich verschoben zugunsten sozialer Prozesse. Im agilen Manifest hört sich das dann so an: „Individuen und Interaktionen mehr als Prozesse und Werkzeuge“ (1. Axiom von vieren, siehe auch Agiles Manifest) Wohlgemerkt: Es ist die Rede von mehr Individuen und Interaktion, nicht ausschließlich.
Agiles Arbeiten lebt u.a. durch verstärkte Kommunikation und den Austausch von Wissen und Arbeitsständen, sowohl zwischen den Mitarbeitern als auch mit Kunden bzw. dem Markt. Und darin liegt bereits eines der großen Erfolgsgeheimnisse: In verschiedenen Studien wurde nachgewiesen, dass höhere Leistung agiler Teams ein Effekt spezifischer Kommunikationsstrukturen und einer erhöhten Zahl von Interaktionen ist.

Gezielte Kommunikation nach klaren Regeln

Was nicht wirklich verwundert. Wenn Mitarbeiter sich häufiger austauschen, werden Probleme schneller ersichtlich, und Lösungen – im Sinne agilen Arbeitens – sofort angegangen. Mitarbeiter kommunizieren gezielt und in transparenten Prozessen. Interaktionen geschehen nicht zufällig, sondern finden in einem festgelegten Rahmen mit klaren Regeln und klarer Zielsetzung statt. Diese Regeln können Teams selbst bestimmen oder sich an definierten Modellen orientieren, wie Scrum oder Kanban. Diese so genannten Frameworks beschreiben – wie der Name schon sagt – einen Rahmen für die Bearbeitung von Aufgaben und den Ablauf von Prozessen. Sie beinhalten jeweils eigene Regelwerke, wobei ihnen die starke Betonung von Kommunikation und Interaktion gemeinsam ist. Denn eines der Kernprobleme klassischen Projektmanagements waren eben nicht berücksichtigte softe Faktoren wie Austausch, Feedback und Vertrauen.
Hand auf’s Herz: Wie halten Sie es mit Ihren Werten?

Egal, ob Sie nun einige Aspekte agiler Methoden einführen oder gleich ein ganzes Framework: Es bedeutet immer eine intensive Auseinandersetzung mit den bisherigen Konzepten von Führung und Organisation. Und das heißt vor allem: Mit dem eigenen Führungsverständnis. Agiles Führen setzt die Bereitschaft zu Transparenz und zu einer offenen, konstruktiven Kommunikation auf Augenhöhe voraus. Das bedeutet ein hohes Maß an gegenseitigem Respekt und Vertrauen zwischen allen Mitarbeitern, einschließlich der Führung. Wer sich mit agiler Führung beschäftigt, muss deshalb im ersten Schritt seine eigene Haltung und eigenen Werte überprüfen. In einem Unternehmen mit schlechter Kommunikations- oder Fehlerkultur können agile Methoden nicht funktionieren. In agilen Teams legen Mitarbeiter offen, woran sie gerade arbeiten, wie weit sie gekommen sind und woran es gerade hakt. Herrscht kein vertrauensvoller und kooperativer Umgang, fühlt sich ein Mitarbeiter, der offensichtlich im Verzug mit seiner Aufgabe ist oder Schwierigkeiten mit der Umsetzung hat, schnell bloßgestellt. Fehler werden zur reinen Schwäche abgestempelt und die Offenlegung im Team zum Spießrutenlauf.

Einfach mal agil sein – geht das denn?
Auf der Ebene der Kommunikation und Interaktion bieten sich gute Möglichkeiten, erste agile Methoden auszuprobieren, ohne viel Zeit oder Geld in die Anpassung der Arbeitsorganisation oder Qualifikation der Mitarbeiter zu investieren. In unseren nächsten Blog-Beiträgen zeigen wir Ihnen deshalb, welche agilen Maßnahmen sich als Testlauf für Ihr Unternehmen oder Ihr Team eignen und welche Effekte allein Offenheit, Kommunikation und Rückmeldung – um nur einige der agilen Werte zu nennen – in Ihrem Team bewirken können.

Isa Triesch ist Systemischer Coach und Beraterin. Sie hat Germanistik studiert und ist zertifizierter Berater für Management Drives.
Der Schwerpunkt ihrer Tätigkeit liegt im Coaching von Fach- und Führungskräften sowie Beratung im Rahmen von Veränderungsprojekten der Team- und Organisationsentwicklung.

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