Nicht nur ineffizient – auch gesundheitsschädlich
Was denn, es läuft doch! Das denkt sich manche Führungskraft, wenn mal wieder von ineffizienten Teams und möglicher Überlastung der Mitarbeiter die Rede ist. Doch der Schein trügt oft genug: Denn selbst unter äußerst schwierigen organisatorischen Rahmenbedingungen sind Teams über einen langen Zeitraum durchaus leistungsfähig und stabil. Allerdings nicht annähernd so effizient, wie sie es bei idealen Organisationsstrukturen sein könnten. Erst wenn deutliche Symptome wie erhöhte Fluktuation oder besonders gesundheitliche Ausfälle nicht mehr wegzudiskutieren sind, wird das organisatorische Arbeitsumfeld hinterfragt und als Ursache in Betracht gezogen.
Warum eigentlich?
Es fehlt – wie so oft – das Maß, an dem sich Bedingungen messen und erkennen lassen. Während das Gefährdungspotenzial von physischen Belastungen – biologisch, chemisch, physikalisch – durch gesetzlich festgelegte Normen und Regeln messbar werden, fehlen vergleichbare Standards für die Bewertung psychischer Belastungen. Eine Lücke im System mit beträchtliches Folgen. Denn hinsichtlich der möglichen Gesundheitsgefährdung stehen psychische Belastungen den körperlichen oder umweltlichen in nichts nach.
Diesem Manko versucht die Meta-Studie der Initiative Gesundheit & Arbeit, kurz IGA , auf die Spur zu kommen. Ziel war die Identifizierung von Arbeitsbelastungen, die als Risiko für psychische Erkrankungen zu bewerten sind. Dabei sollte die Frage beantwortet werden, welche psychischen Belastungen nach aktuellem Stand der Wissenschaft als gesicherte Risikofaktoren für Gesundheitsbeeinträchtigungen gelten können.
Dabei zeigten sich laut IGA vor allem folgende organisatorischen Faktoren als gesundheitsgefährdend:
- Job Strain: die Kombination von geringem Handlungsspielraum und hoher Arbeitsintensität,
- Iso-strain: die Kombination von geringem Handlungsspielraum und hoher Arbeitsintensität bei gleichzeitig geringer sozialer Unterstützung,
- Job demand: Hohe Arbeitsintensität,
- Job control: Geringer Handlungsspielraum,
- Effort-Reward-Imbalance: Ungleichgewicht zwischen erlebter beruflich geforderter Leistung und dafür erhaltener Belohnung/Wertschätzung,
- Überstunden,
- Schichtarbeit (mit Einschränkungen, siehe unten),
- geringe soziale Unterstützung,
- Rollenstress: fehlende Klarheit über Aufgaben und Verantwortungen,
- Bullying: aggressives Verhalten am Arbeitsplatz sowie
- Arbeitsplatzunsicherheit.
Maslow lässt grüßen:
Die psychologischen Grundbedürfnisse stehen den körperlichen nicht nach
Um über einen langen Zeitraum hohe Leistungen bei gleichzeitiger gesundheitlicher Stabilität zu erbringen, müssen Menschen nicht nur ihre körperlichen, sondern auch ihre psychologischen Grundbedürfnisse erfüllt wissen.
Was sind also die Umgebungsfaktoren, die Leistung und Gesundheit von Mitarbeitern sichern?
Autonomie
Das Gefühl der Freiwilligkeit, das Menschen auch dann empfinden, wenn sie von der Notwendigkeit einer Anweisung überzeugt sind.
Kompetenz
Das Gefühl der Selbstwirksamkeit, das dann entsteht, wenn man effektiv auf die als wichtig erachteten Dinge einwirken und entsprechend gewünschte Resultate erzielen kann.
Zugehörigkeit
Das Gefühl der sozialen Eingebundenheit.
Sinn
Das Gefühl einer zielgerichteten Sinnhaftigkeit des eigenen Tuns.
(vgl. Edward L. Deci, & Richard M. Ryan, 2008: Self-Determination Theory: A Macrotheory of Human Motivation, Development, and Health)
Besonders signifikant: Der deutliche Zusammenhang zwischen dem Handlungsspielraum, der einem Mitarbeiter (nicht) eingeräumt wird, und der Gefahr stressorientierter, depressiver Erkrankungen. Die in der öffentlichen Wahrnehmung erhöhte Aufmerksamkeit für die hohe Zahl von Burnout-Erkrankungen erscheint somit noch einmal in einem anderen Licht.
Mehr Freiheit – mehr Leistung?
Die motivationspsychologisch geschulten Spatzen pfeifen es mittlerweile von den Dächern: Ist ein Verhalten autonom motiviert, so ist es im Vergleich zu einem fremdbestimmt motivierten Verhalten wesentlich effektiver, vor allem was Kreativität, Problemlöseverhalten oder Durchhaltevermögen angeht. Bereits diese Faktoren dürften wohl die Augen der meisten Arbeitgeber zum Leuchten bringen. Aber das ist nur ein Aspekt: Denn zugleich ist die empfundene Autonomie mit besserer psychischer Gesundheit und Wohlbefinden verbunden.
In Kombination bedeutet das:
Je größer der Handlungsspielraum, desto mehr Leistung bei gleichzeitig höherer (Eigen-)Motivation und geringeren Kosten durch krankheitsbedingte Ausfälle und Mitarbeiter-Fluktuation. Laut der iga-Studie trifft dies vor allem auf sogenannte „Active Jobs“ zu. Sie bieten Mitarbeitern einen großen Handlungs- und Entscheidungsspielraum bei gleichzeitig angemessener qualitativer Herausforderung.
Isa Triesch ist Systemischer Coach und Beraterin. Sie hat Germanistik studiert und ist zertifizierter Berater für Management Drives.
Der Schwerpunkt ihrer Tätigkeit liegt im Coaching von Fach- und Führungskräften sowie Beratung im Rahmen von Veränderungsprojekten der Team- und Organisationsentwicklung.